Wissenschaftliche Fakten zur Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare

Als Beauftragter für Diversity des Berufsverbands Österreichischer Psychologinnen und Psychologen sehe ich eine gewisse Verantwortung, zu bestimmten gesellschaftspolitischen Inhalten sachlich fundierte Information anzubieten.

Vor allem möchte ich eine sachlich fundierte Stellungnahme abgeben zu einigen Presseaussendungen und so genannten “Experten-Interviews”, die sich mit dem viel zitierten Kindeswohl beschäftigen (unter anderem soll mit diesem Blog eine wissenschaftliche Richtigstellung der Presseaussendung der “Familiensprecherin” der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), Frau Anneliese Kitzmüller, stattfinden).

Zum Inhalt: Verfassungsgerichtshof kippt Adoptionsverbot für gleichgeschlechtliche Paare

Worum geht es in der Sache? Etwas, wofür auch ich seit Jahren gekämpft habe, wurde nun endlich wahr – das Adoptionsverbot für gleichgeschlechtliche Paare wurde aufgehoben. Leider nicht von Seiten der Politik, immerhin aber durch den Verfassungsgerichtshof. Die Aufhebung begründete der Präsident des österreichischen Verfassungsgerichtshofs damit, „dass es keine sachliche Rechtfertigung für eine ausschließlich nach der sexuellen Orientierung ausgerichtete differenzierende Regelung gibt“.

Das Stichwort lautet hier “sachlich”. Bleiben wir bei der Sache und sehen uns die Fakten an.

Das viel zitierte Kindeswohl und die Presseaussendung der FPÖ

In einzelnen Interviews argumentieren “ExpertInnen” sehr gerne mit dem Kindeswohl, ohne jedoch auf die wissenschaftliche Faktenlage Rücksicht zu nehmen. Unter anderem ließ eine abwertende Presseaussendung der FPÖ zu diesem Entscheid nicht lange auf sich warten. Laut APA kommentiert die “Familiensprecherin” NAbg. Anneliese Kitzmüller: “Heute ist ein ‘Schwarzer Tag’ für Österreichs Kinder. Während Lesben und Schwule ins Zentrum gerückt werden, lässt man die Psyche der Kinder links liegen. Niemand behauptet, dass Homosexuelle per se schlechte Eltern seien, aber ein derartiges Konstrukt ist ungeeignet für die Psyche unserer Kinder.” Weiters fordert sie mehr Hausverstand in der Debatte.

Gerne bin ich bereit, mit etwas mehr Hausverstand für einzelne “ExpertInnen” und “FamiliensprecherInnen” auszuhelfen. Manche “FamiliensprecherInnen” sehen sich zwar als “ExpertInnen” an, was das Kindeswohl betrifft, können aber keine entsprechende Ausbildung vorweisen. Zum Vergleich: Meine Qualifikation liegt um einiges höher, nach dem Abschluss des Diplomstudiums der Psychologie habe ich auch das Doktoratsstudium der Psychologie erfolgreich mit Auszeichnung bestanden. Ich arbeite in diesem Bereich und beschäftige mich mit entsprechenden Studien.

Gerne helfe ich daher so genannten “ExpertInnen” und “FamiliensprecherInnen” mit sachlich-wissenschaftlichen Fakten aus.

 

Wissenschaftliche Fakten zum Thema “Regenbogenfamilien”

Unter dem Begriff „Regenbogenfamilien“ werden derzeit Familien definiert, in denen mindestens ein Elternteil sich als schwul, lesbisch, bisexuell oder transgender versteht. In Österreich gibt es bereits hunderte bis tausende Familien, in den Kinder entweder aus voran gegangenen heterosexuellen Beziehungen stammen, in eine schwule oder lesbische Beziehung hineingeboren wurden, oder in denen Kinder adoptiert oder als Pflegekinder aufgenommen wurden.

Bereits vor 10 Jahren, im Jahr 2004, hat die amerikanische Berufsvereinigung von Psychologen (American Psychological Association) konstatiert, dass es keinerlei wissenschaftliche Belege dafür gibt, dass die sexuelle Orientierung der Eltern eine negative Auswirkung auf das Kindeswohl hat. Alle nach „guten Regeln der Wissenschaft“ durchgeführten Studien kommen einhellig zum Schluss, dass keinerlei negativen Auswirkungen auf das Kindeswohl feststellbar sind, eine rechtliche Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Elternpaaren mit Adoptionswunsch daher aus wissenschaftlicher Sicht nicht haltbar ist. Diese Auffassung wird auch von der American Academy of Pediatrics geteilt.

Eine der weltweit größten und aktuellsten Studien findet derzeit an der Melbourne-Universität in Australien statt (ACHESS – The Australian Study of Child Health in Same-Sex Families). Es wurden 500 Kinder in Regenbogenfamilien hinsichtlich ihrer emotionalen Stabilität, ihres Selbstbewusstsein sowie des familiären Zusammenhalts untersucht. Hinsichtlich des allgemeinen Gesundheitszustandes sowie des familiären Zusammenhalts schneiden diese Kinder sogar besser ab, wenn sie mit Kindern aus anderen Familien verglichen werden, hinsichtlich all der anderen Gesundheitsparameter ergeben sich keine signifikanten Unterschiede (die Studie wird derzeit noch ausgewertet, Ergebnisse lassen sich laufend unter http://mccaugheycentre.unimelb.edu.au/research/current/intergenerational_health/achess abrufen)

Eine der ersten Studien in diesem Bereich findet seit den 1980er Jahren in Nordamerika statt, es wurden lesbische Mütter mit Kindern, die mit Hilfe von Spendersamen gezeugt wurden, begleitet. Die bisherigen Ergebnisse finden sich auf http://www.nllfs.org. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass keine negativen Auswirkungen nachweisbar sind, es lassen sich keine Unterschiede zu anderen Familien feststellen. Zahlreiche Publikationen aus dieser breit angelegten longitudinalen Studie finden sich auf http://www.nllfs.org/publications.

Jetzt könnte natürlich der Hausverstand von Frau Kitzmüller und anderen “ExpertInnen” in Österreich argumentieren, dass das amerikanische und australische Studien sind, die ja nicht übertragbar auf den deutschen Sprach- und Kulturraum sind. Auch hier helfe ich gerne mit wissenschaftlichen Fakten aus.

In Deutschland wird von mindestens 5.000 Regenbogenfamilien mit etwa 6.600 Kindern ausgegangen (Stand von 2013), in einer Studie in Bayern wurden 119 Kinder befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass es hinsichtlich der psychischen Anpassung von Kindern und Jugendlichen keine Unterschiede zu anderen Familien gibt. Die einzigen signifikanten Unterschiede fanden sich dahingehend, dass Kinder und Jugendliche in Regenbogenfamilien über ein höheres Selbstwertgefühl und über mehr Autonomie in der Beziehung zu beiden Elternteilen berichteten als Gleichaltrige in anderen Familienformen.

Das Erziehungsverhalten gleichgeschlechtlicher Elternpaare zeichnet sich durch Fürsorglichkeit und Zugewandtheit aus. Die Mehrheit der Kinder konnte über keine soziale Diskriminierung berichten, es gibt keine Unterschiede hinsichtlich Depressivität, somatische Beschwerden oder Aggressivität.

Aus Expertensicht wird daher die Aufhebung bestehender Diskriminierung gefordert. Die Studie sowie eine Zusammenfassung findet sich unter http://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/pdfs/Forschungsbericht_Die_Lebenssituation_von_Kindern_in_gleichgeschlechtlichen_Lebenspartnerschaften.pdf?__blob=publicationFile.

Zusammenfassung

Es gibt Presseaussendungen diverser Einrichtungen und Parteien, und so genannte “Experteninterviews” in einzelnen Medien, die gerne das “Kindeswohl” in Zusammenhang mit der Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare erwähnen. Klinische PsychologInnen, GesundheitspsychologInnen und PsychotherapeutInnen sind gesetzlich dazu verpflichtet, nach aktuellen Erkenntnissen der Wissenschaft zu arbeiten. Daher soll an dieser Stelle ausdrücklich betont werden, dass es keinerlei Evidenz (Beweis) dafür gibt, dass eine Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare dem Kindeswohl abträglich ist, ganz im Gegenteil.

Das Fazit lautet daher, dass es aus wissenschaftlicher (und damit sachlicher) Perspektive keinerlei Einwände gegen die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare gibt. Ich begrüße daher als Beauftragter für Diversity des Berufsverbands Österreichischer Psychologinnen und Psychologen eindeutig die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs.

Ich stehe selbstverständlich gerne zur Verfügung, um mit wissenschaftlichen Fakten nach- und auszuhelfen.

 

Über den Autor: Mag. Dr. Mario Lehenbauer-Baum ist Klinischer Psychologe, Gesundheitspsychologe, zertifizierter Arbeits-, Wirtschafts- und Organisationspsychologe, Autor und Herausgeber zahlreicher Artikel und Buchkapitel. Er ist in der universitären Forschung (Department für Psychologie an der Sigmund-Freud Universität Wien, sowie am Department of Psychology and Human Development, Peabody College, Vanderbilt University, Nashville, Tennessee/USA) tätig. Weiters ist er auch erster Beauftragter für Diversity für den Berufsverband Österreichischer Psychologinnen und Psychologen. Seine Forschungsschwerpunkte fokussieren auf klinische Entwicklungspsychologie (Prävention von Depression im Kindes- und Jugendalter), die Schnittstelle Psychologie und neue Medien (Online-Rollenspiele, Internetsucht, Internetgebrauch in der Praxis), virtuelle Realitäten sowie Games for Health (digitale Spiele und psychologische Interventionen). In seiner Onlineberatungspraxis fokussiert er vor allem auf positive Psychologie, um Menschen zu einem glücklicheren und erfüllteren Leben zu verhelfen, sowie auf wissenschaftlich fundierte kognitiv-lerntheoretisch/verhaltenstherapeutische Methoden.

 

Quelle: http://www.selbstsicherheit.at/wissenschaftliche_fakten_adoption_durch_gleichgeschlechtliche_paare/

18.01.2015 | 3172 Aufrufe

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