Wie weit geht man fürs Wunschkind?

21.09.2012 | 18:30 |  ULRIKE WEISER (Die Presse)

Die Bioethikkommission spricht sich für Eizellenspende und Präimplantationsdiagnostik aus und will die künstliche Befruchtung für lesbische Paare und alleinstehende Frauen öffnen.

Wie weit darf die Fortpflanzungsmedizin gehen, um Menschen ihren Wunsch nach einem – gesunden – Baby zu erfüllen? Wo beginnt die Verhinderung von Leid, wo – gefährliche – Selektion? Und: Dürfen lesbische Paare oder alleinstehende Frauen mithilfe der Medizintechnik und Samenspendern ein Kind bekommen?

Auf diese Fragen gab die Bioethikkommission, das in der Schüssel-Ära eingerichtetes Beratungsgremium des Bundeskanzlers, am Freitag zwei sehr unterschiedliche Antworten (www.bka.gv.at). Zwei Jahre hatte die 25-köpfige Expertengruppe aus Medizinern, Juristen, Naturwissenschaftlern und Philosophen über eine Reform des seit zwanzig Jahren kaum veränderten und im internationalen Vergleich strikten Fortpflanzungsmedizinrechts diskutiert. Ergebnis: 15 Mitglieder befürworten eine Liberalisierung, sechs sind dagegen und formulierten eine eigene Stellungnahme. Vier gaben keine Stimme ab. Im Fall des evangelischen Theologen Ulrich Körtner war die Enthaltung Statement: Die ethische Begründung des Mehrheitspapiers, so Körtner, sei nicht ausgereift.

Der Dissens in der Kommission kommt nicht überraschend. Vielmehr ist er in der Besetzung mit „liberalen“ und „konservativen“ Mitgliedern angelegt. Jedoch war die Spannung selten so deutlich wie bei dieser Pressekonferenz von Christiane Druml (Vorsitzende, Vertreterin der Mehrheitsmeinung) und Stephanie Merckens (Lebensschutzbeauftragte der Erzdiözese Wien, Vertreterin der Minderheitsmeinung). Merckens stellte klar: „Bei ethischen Entscheidungen geht es nicht um Mehrheiten, sonst können Sie auch eine Umfrage machen.“ So viel zum Ton.

Keine „Lifestyle-Eizellenspenden“

Inhaltlich fiel die Mehrheitsempfehlung erwartbar aus. Sie umfasst drei kontroverse Bereiche. Erstens: Die verbotene Eizellenspende soll erlaubt werden genauso wie die Befruchtung mit der Samenspende außerhalb des Körpers (In-vitro-Fertilisation, IVF) – derzeit ist bei Samenspenden nur eine Befruchtung im Körper legal. Für die Eizellenspende bringt man vor allem ein Gerechtigkeitsargument in Stellung: Unfruchtbaren Männern könne mit einer Samenspende geholfen werden, Frauen ohne fruchtbare Eizellen bleibe der Weg zum Kind versperrt. Damit werde das Problem – Stichwort: Befruchtungstourismus – ins Ausland verlagert. Die Gegner der Zulassung, die generell gegen Samen-und Eizellenspenden sind, warnen hingegen: Im Fall der Eizelle werde das Gesundheitsrisiko der Spenderinnen (durch hormonelle Stimulation, OP) heruntergespielt. Zudem drohe Selbstausbeutung, zugespitzt formuliert: Arme Frau verkauft ihre Eizellen. Letzterem Problem will man in der Mehrheitsempfehlung mit einem Gewinnverbot begegnen. Wie die Samenspende soll die Eizelle nicht letztgültig anonym sein: Die Kinder haben ein Auskunftsrecht (so ihnen die Eltern Bescheid sagen). Nicht gewollt sind „Lifestyle-Eizellenspenden“, so Druml: Nur Frauen im reproduktiven Alter (und mit Indikation) kommen als Empfängerin infrage.

Zweites großes Thema ist die beschränkte Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID), die genetische Untersuchung von künstlich gezeugten Embryonen auf schwere Krankheiten, bevor sie in die Gebärmutter eingesetzt werden. Die PID wurde in Deutschland 2011 eingeführt, die heimische Bioethikkommission empfahl sie – erfolglos – bereits 2004. Es geht dabei um „Risikopaare“, die z. B. mehrere (genetisch bedingte) Fehlgeburten hatten oder bei denen eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine schwere, nicht therapierbare Erbkrankheit vorliegt. Die PID, so ein Argument, könne Spätabbrüche behinderter Kinder verhindern. Eine nähere Definition von „schwerer Krankheit“ – z. B. wann die Krankheit ausbricht – bleibt das Papier aber schuldig. Zusätzlich will man als Ultima Ratio die PID zur Zeugung von „Rettungsgeschwistern“ erlauben, die ihren kranken Geschwistern z. B. mit Gewebespenden helfen. Die PID-Gegner kritisieren, dass es um „Selektion, nicht Therapie“ gehe. Studien würden zeigen, dass das Verfahren den Embryo schädigen könne. Und sie befürchten, dass die Liste der Gründe für eine PID mit der Zeit immer mehr länger werde.

Kritik der Kirche, ÖVP gespalten

Der dritte kontroverse Punkt betrifft die Öffnung der Fortpflanzungsmedizin für alleinstehende Frauen und lesbische Paare. Dazu hat sich die Kommission auf Ersuchen des Verfassungsgerichtshofs schon im Februar positiv geäußert. Schon damals kritisierten die Gegner das Fehlen des Vaters. Unstrittig ist: Homosexuelle männliche Paare sind von der Fortpflanzungsmedizin ausgeschlossen, denn Leihmutterschaft soll verboten bleiben.

Wie es weitergeht, liegt an der Politik. SPÖ-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek und die Grünen begrüßten eine Liberalisierung. In der ÖVP gibt es keine einheitliche Meinung: Behindertensprecher Franz Joseph Huainigg ist dagegen, Wissenschaftssprecherin Katharina Cortolezis-Schlager sagt zur „Presse“: „Man muss schon sehr gute Gründe haben, um der Empfehlung der Kommission nicht zu folgen.“ Sie und ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger wollen, dass eine eventuelle Abstimmung im Parlament ohne Klubzwang erfolgt. Grüne und ÖVP treten auch für eine Bioethik-Enquete im Parlament ein. Kardinal Christoph Schönborn appellierte an den Gesetzgeber „nicht alles Machbare zuzulassen“. Gehe es um das Kindeswohl, „muss man vom Recht des Kindes auf Vater und Mutter sprechen, das nicht von vornherein ausgehebelt werden darf und das Eizellspende aber auch Samenzellspende und IVF für gleichgeschlechtliche Paare und alleinstehende Personen ausschließt“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2012)   

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