heute in der bild am sonntag gelesen ....

 

Sarah P. (21) will den Namen ihres Erzeugers erfahren„Mein Vater ist ein Samenspender“

„... Ich klage so lange, bis ich weiß, wer er ist“

„Mein Vater ist ein Samenspender. Ich klage so lange, bis ich weiß, wer er ist“Foto: © BILD.de

Sarah wünscht nicht nur Kontakt zu ihrem leiblichen Vater, sondern auch zu möglichen Halbgeschwistern

        

Sarah P., 21, streitet vor Gericht um das Recht, den Namen ihres Erzeugers zu erfahren. Sie hat gute Chancen zu gewinnen. Das Urteil könnte Tausende Samenspender aus ihrer Anonymität reißen.

Der Satz, der im Leben von Sarah P. so vieles veränderte, fiel an einem Samstag vor drei Jahren.

Es war gegen Abend und die damals 18-Jährige lernte gerade für eine Mathe-Klausur, als ihre Mutter sie bat, ins Wohnzimmer zu kommen. „Dein Papa ist nicht dein Papa“, presste die Mutter hervor, halb weinend, halb lachend, nervös und mit der Situation überfordert. „Wie meinst du das?“, fragte die Schülerin.

„Du bist durch eine Samenspende entstanden. Der Mann, den du Vater nennst, ist unfruchtbar.“

März 1991: Sarah kurz nach ihrer Geburt  Foto: © BILD.de                         
März 1991: Sarah kurz nach ihrer Geburt

Plötzlich war alles anders. Dieses Selbstverständnis von Vater-Mutter-Kind – weg. Die Illusion, dass solche Schicksale immer nur andere Familien treffen – weg. „Und vor allem war klar, dass ich kein Kind der Liebe bin, das war schmerzhaft für mich“, sagt Sarah.

Die Studentin wohnt heute mit ihrem Freund Marcel in einer kleinen Wohnung in Plettenberg (NRW). Im Juni wollen sie heiraten, vielleicht bald selbst eine Familie gründen. Sarah wirkt älter als 21 Jahre, mutig und unerschrocken. Aber wahrscheinlich muss man solch eine Persönlichkeit sein, wenn man seit drei Jahren einen Kampf kämpft, von dem alle meinten, er könne nur verloren werden.

Denn obwohl es bisher als eisernes Gesetz galt, dass die Anonymität der Samenspender gewahrt werden muss, wollte sich Sarah nicht einfach damit abfinden, dass sie als „Spenderkind“ keine Möglichkeit haben soll, ihren leiblichen Vater kennenzulernen. Denn Thomas Katzorke, Chef des Zentrums für Reprodutionsmedizin in Essen, in dem Sarah gezeugt wurde, weigerte sich, ihr die Daten ihres Vaters herauszugeben.

Also zog Sarah mit ihrem Berliner Anwalt Markus Goldbach vor Gericht, verlor, ließ sich nicht entmutigen, ging mit ihm in die nächste Instanz. Mit Erfolg, so wie es aussieht. Denn das Oberlandesgericht Hamm ist ebenfalls der Auffassung, dass das Recht auf das Wissen um die eigene Abstammung Vorrecht habe vor allen anderen Absprachen, also beispielsweise der zugesicherten Anonymität der Spender. Das Urteil soll im Februar fallen.

Hintergrund

  • Pro Spende gibt es ca. 100 Euro

    In Deutschland gibt es rund 100 000 Kinder, die durch Samenspenden entstanden sind.

    Heute erhält ein Mann rund 100 Euro pro Spermaspende (1991, als Sarah geboren wurde, waren es 150 Mark). Der Spender bleibt gegenüber dem Wunschelternpaar grundsätzlich anonym und erhält keinerlei Informationen über die Verwendung seiner Samenproben bzw. über die Anzahl der mithilfe seiner Spermien gezeugten Kinder.

 
Pro Spende gibt es ca. 100 Euro In Deutschland gibt es rund 100 000 Kinder, die durch Samenspenden entstanden sind. Heute erhält ein Mann rund 100 Euro pro Spermaspende (1991, als Sarah geboren wurde, waren es 150 Mark). Der Spender bleibt gegenüber dem Wunschelternpaar grundsätzlich anonym und erhält keinerlei Informationen über die Verwendung seiner Samenproben bzw. über die Anzahl der mithilfe seiner Spermien gezeugten Kinder.

Bekäme Sarah recht, hätte Reproduktionsmediziner Katzorke ein riesiges Problem. Dann muss er Sarah auf der Suche nach ihrem Vater unterstützen – und fürchten, dass ihm künftig die Spender ausgehen. Denn welcher Mann würde noch freiwillig sein Sperma spenden, wenn Jahre später Kinder vor seiner Tür stehen könnten, die auch unterhalts- und erbberechtigt sind?

Sarah P. will kein Geld, sie will einfach nur den Mann mit der Spendernummer 261 kennenlernen.

Bisher weiß sie nur, dass er circa 1,85 Meter groß ist, blaue Augen hat, heute etwa Mitte 40 ist und wahrscheinlich im Ruhrgebiet lebt. „Ich will wissen, woher 50 Prozent meiner Gene stammen“, sagt Sarah. Kinder suchen nach Ähnlichkeiten, wollen sich in ihren Eltern wiedererkennen. „Die Augen von Mama, die Nase von Papa – solche Erklärungen haben bei mir noch nie so richtig gepasst“, sagt sie.

Gerechtigkeitsgeil sei sie, sagt Sarah über sich. Deshalb will sie notfalls bis vor den Bundesgerichtshof ziehen. „Für meine Eltern war es schwer, dass ich diesen Weg gehe. Schließlich haben sie das Thema 18 Jahre lang tabuisiert.“

Aus Scham, wie Sarah heute weiß. Und aus Angst, dass die Nachbarn reden könnten. Nur aus Sorge, Sarah könnte sich eines Tages wundern, dass sie als Einzige in der Familie Blutgruppe O hat, erzählte die Mutter ihr schließlich die Wahrheit. „Danach habe ich meinen Vater zum ersten Mal in meinem Leben weinen sehen. Komischerweise fühle ich mich ihm seitdem näher als früher, obwohl ich weiß, dass er nicht mein leiblicher Vater ist“, sagt Sarah.

Von dem Mann, durch dessen Samen sie entstanden ist, hat sie wenig Vorstellungen. „Manchmal träume ich davon, wie wir in einem Café sitzen und quatschen“, sagt Sarah. Und was, wenn der ganze Kampf vergebens ist? Wenn ihr leiblicher Vater sie nicht sehen will?

„Dann habe ich wenigstens anderen Spenderkindern geholfen“, sagt sie, fast ein wenig trotzig. Und fügt leise hinzu: „Aber ich wäre schon sehr, sehr traurig.“

quelle: http://www.bild.de/ratgeber/gesundheit/samenspende/mein-vater-ist-ein-samenspender-27973106.bild.html

06.01.2013 | 6545 Aufrufe

Kommentare