Gefälligkeit mit Folgen
Samenspender gerichtlich zum Vater ernannt

Ein Kamermann des Schweizer Fernsehen beobachtet den Eingang des Zürcher Bezirksgerichts.

Ein Kamermann des Schweizer Fernsehen beobachtet den Eingang des Zürcher Bezirksgerichts.


Ein Mann gibt dem Drängen einer verheirateten Bekannten nach und betätigt sich in Übersee erfolgreich als Samenspender. Als die Mutter später in Zürich geschieden wird, strebt die Vormundschaftsbehörde eine Vaterschaftsklage an – mit Erfolg.


Brigitte Hürlimann


Vor über zwei Jahren, im Sommer 2010, ist in Zürich ein Kind zur Welt gekommen, das die ersten Lebensmonate gemeinsam mit seinen verheirateten Eltern verbrachte. Der Ehemann galt von Gesetzes wegen als der rechtliche Vater des Kindes – biologischer Vater jedoch war ein Samenspender, und die Umstände dieser künstlichen Insemination sind doch äusserst ungewöhnlich. Der Samenspender kannte die künftige, mit einem andern Mann verheiratete Mutter und liess sich nur auf ihr Drängen hin auf die In-vitro-Fertilisation ein. Er tat dies aus reiner Gefälligkeit, nahm kein Geld entgegen, wollte später aber nichts mit «seinem» Kind zu tun haben, womit die Frau einverstanden war.

Die beiden reisten nach Übersee, in die Heimat der künftigen Mutter, wo der Schweizer Spender abmachungsgemäss seinen Samen in einer Klinik abgab und sich die Frau die befruchteten Eizellen einsetzen liess. Das Wunschkind kam wie erhofft in Zürich zur Welt, doch mit der Scheidung des Ehepaars begangen ungeahnte Komplikationen.

Schutznorm gilt nicht

Bereits vor der Scheidung hatte der rechtliche Vater und Ehemann mittels Anfechtungsklage gerichtlich feststellen lassen, dass er nicht der biologische Vater sei. Nach der Scheidung stand das Kind daher vaterlos da; das Zivilrecht sieht in solchen Fällen vor, dass die Vormundschaftsbehörde die Vaterschaft abklären lässt. Die zuständige Zürcher Behörde fragte deshalb in der ausländischen Klinik nach, erhielt dort prompt Name und Adresse des Samenspenders und führte gegen ihn eine Vaterschaftsklage. Das Bezirksgericht Zürich hat kürzlich in einem Teilurteil die Vaterschaft des Samenspenders festgestellt; falls das Urteil rechtskräftig wird, muss das Verfahren betreffend die Unterhaltsbeiträge weitergeführt werden.

Das urteilende Gericht hatte in diesem nicht alltäglichen Fall eine ganze Reihe kniffliger Fragen zu beantworten. So machte der Samenspender zum Beispiel geltend, er berufe sich auf das Fortpflanzungsmedizingesetz, in dem geregelt sei, dass eine Samenspende für ihn keine rechtlichen Konsequenzen haben dürfe; nur unter dieser Vorgabe habe er sich darauf eingelassen. Vom Gericht muss er sich nun dahingehend belehren lassen, dass für das einschlägige Gesetz, das öffentliches Recht darstellt, das Territorialitätsprinzip gilt.

Weil also die Fortpflanzung im Ausland geschah, kommt das schweizerische Fortpflanzungsmedizingesetz mit seiner Schutznorm zugunsten der Samenspender nicht zur Anwendung. Der biologische Vater muss sich den allgemeinen Regeln des Zivilrechts unterziehen – und damit der Vaterschaftsklage, die keine Rücksicht auf die Interessen der Eltern nimmt; auch nicht auf die einvernehmliche Abmachung, dass die Mutter gegenüber dem von ihr aufgebotenen Samenspender auf eine Vaterschaftsanerkennung und auf Zahlungen für das Kind verzichte. Die Entstehung eines rechtlichen Kindesverhältnisses hat über die Unterhaltszahlungen hinaus Konsequenzen. So wird ein Kind gegenüber seinem Vater erbberechtigt oder erhält von Gesetzes wegen die schweizerische Staatsbürgerschaft, was im konkreten Fall eine Rolle spielt, da die Mutter Ausländerin ist.

DNA-Gutachten

Das Bezirksgericht weist in seinem Teilurteil auch darauf hin, dass die in Übersee erfolgte Fortpflanzung hierzulande nicht bewilligt worden wäre: weil der Spender mit der künftigen Mutter nicht verheiratet war und weil der Ehemann keine schriftliche Zustimmung zur Insemination gegeben hatte. Der biologische Vater bestritt nie, sich auf die Befruchtung eingelassen zu haben. Dennoch wurde im Lauf des Verfahrens seine Vaterschaft mittels DNA-Test festgestellt; es war der beklagte Vater gewesen, der dies als Versuch angeregt hatte, seine Nichtvaterschaft zu beweisen, was erwartungsgemäss nicht gelang.

Quelle: NZZ, 18.12.12 6:00

http://www.nzz.ch/aktuell/zuerich/stadt_region/samenspender-gerichtlich-zum-vater-ernannt-1.17896806

18.12.2012 | 2746 Aufrufe

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