Am Sonntag saß ich in der S-Bahn und auf einer Zeitung, die einer Frau gehörte, erblickte ich einen Becher mit bekanntem roten Deckel. Ohne weitere Erklärungen bat ich darum, den Artikel lesen zu dürfen. Jetzt ist er auch kostenlos online verfügbar. Aus Urheberrechtsgründen habe ich davon Abstand genommen, ganze Artikel zu kopieren. Über die angegebenen Links sind beide Teile des Textes erreichbar. Das Thema "Samenspende" ist für die Medien im Moment offensichtlich besonders interessant.

 

Schön, dich kennenzulernen

26.02.2013 ·  Ein Gericht hat entschieden: Menschen, die ihre Geburt einer Samenspende verdanken, dürfen wissen, wer ihr Erzeuger ist. Für die 30 Jahre alte Astrid ist es die Erfüllung eines Traums. Doch ihren Vater zu finden, ist gar nicht so einfach.

http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/familie/samenspende-schoen-dich-kennenzulernen-12094919.html

 

Schön, dich kennenzulernen (2)

28.02.2013 ·  Ein Gericht hat entschieden: Menschen, die ihre Geburt einer Samenspende verdanken, dürfen wissen, wer ihr Erzeuger ist. Florian, 32, ist ein privater Samenspender. Er fährt durch ganz Deutschland, um kinderlosen Paaren ihren größten Wunsch zu erfüllen.

http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/samenspende-schoen-dich-kennenzulernen-2-12092343.html

 

Ausgewählte Leserkommentare zu Teil 1 (Sicht des Kindes)

Ralf Vormbaum (Vormbaum) - 26.02.2013 15:43 Uhr

Wie wird das erst nach der neuesten Rechtssprechung des BVerfG zum Adoptionsrecht

"Ich lief über die Straße und guckte irgendwelchen wildfremden Männern um die Fünfzig im Vorbeigehen in die Augen. Ich hatte das Gefühl, wahnsinnig zu werden vor lauter Verzweiflung. Und ich fragte mich, ob mir noch weitere Enthüllungen bevorstünden. Ob meine Eltern mir noch mehr Lügen aufgetischt hatten."

In der Zukunft werden Kinder nicht nur auf die Suche nach unbekannten Vätern, sondern auch nach unbekannten Leihmüttern gehen, die dann den armen Menschen erklären, dass sie nicht das einzige Kind sind, das gegen Geld ausgetragen wurde. Wer als Mensch erfahren muss, dass er "designed" wurde, wird sein ganzes Leben darunter leiden.

 

Dirk Lehmann (DkLehmann) - 26.02.2013 15:50 Uhr

Die Verzweiflung ist wohl extrem groß...

und ich kann nachvollziehen, wie schlimm es für die betroffenen Personen ist, praktisch keine Chance mehr zu haben, ihren biologischen Vater kennenzulernen.

In dem beschriebenen Fall ist wohl das größte Problem, daß die Mutter sich gegen ärztlichen Rat und ohne professionellen Beistand entschlossen hat, der Tochter die Herkunft zu offenbaren.
Ihr Motiv entspringt jedoch der Mutterliebe: Sie wollte kein Geheimnis vor der Tochter haben.
Was mich wundert: Daß die Tochter ihren juristischen Vater nicht befragt hat, ob ER die Spendeunterlagen aufbewahrt hat. Das halte ich für wahrscheinlich, da es ihn selber ja durchaus in gewisser Hinsicht "schützt".
Trotz allem Mitgefühl für die großen Probleme des Spenderkindes glaube ich, daß es schlimmere Schicksale gibt, als ein wenn auch per Samenspende gezeugtes, WUNSCHKIND zu sein!
Es werden viele hunderttausend Kinder jeden Tag schmerzlich daran erinnert, KEINE geliebten Kinder zu sein, psychisch oder physisch mißhandelt, gedemütigt, ausgegrenzt

 

Herbert Ferstl (maltschik) - 26.02.2013 15:59 Uhr

Es geht eben nichts...

...über die Wertigkeit der klassischen Familie. Alles andere macht früher oder später die Menschen / Kinder "krank". Danke für diesen authentischen un nachvollziehbaren Bericht. Nur auf dem Papier sieht eben Vieles ganz anders aus. Siehe aktuelles BVG-Urteil zum Thema Sukzessivadoption. Menschen haben nicht nur Rechte und Pflichten - Menschen haben auch Gefühle!

 

Renate Simon (-simon-) - 26.02.2013 16:07 Uhr

Ist es nicht nur Egoismus?

Dieser Gedanke überkommt mich beim Lesen. Die junge Frau kreist um sich selbst, sieht nur das „Unrecht“, die vermeintliche Lebenslüge. Nicht bedenkend, dass ihre Mutter eine Samenspende als letzten Schritt zu einem eigenen Kind sah. Wenn der soziale Vater so hassvoll gesehen wird, weil die Chemie nicht stimmte, die Gene revoltierten, kann ich daraus nur schlussfolgern, dass kein Mann mehr Samen spenden und niemand mehr Kinder adoptieren sollte.

Was nützt es der jungen Frau zu wissen, ob die Nase oder was auch immer dem biologischen Vater entspricht, er aber vielleicht ansonsten der reinste Volltrottel ist.

Und ja, die Mutter hätte schweigen sollen. Übrigens entstehen Allergien einfach so, auch ohne erbliche Vorbelastung. Ich selbst leide unter allen möglichen, als einzige in der Familie, aber stelle ich deswegen die (leiblichen) Eltern infrage?

Ich bin nicht unsensibel, aber so infantil macht man nicht nur das eigenes Leben kaputt und frage, ist es das wert?

 

Bernd Saltus (bsaltus) - 26.02.2013 16:12 Uhr

Gesellschaftliche Anerkennung

Die "designed"en Kinder haben nur so lange ein Problem damit, wie wir diesen Zustand in unserer Gesellschaft als anormal betrachten. Wenn wir irgendwann akzeptieren, dass wir die Möglichkeiten einer künstlichen Befruchtung und Samenspende haben, wenn wir als Gesellschaft akzeptiert haben, dass wir diese Möglichkeiten nutzen wollen, dann löst sich auch das psychische Problem des "anders sein" in Luft auf.
In diesem Fall geht es allerdings noch um Vertrauen. Allerdings, wie unten richtig beschrieben, ist es doch besser, ein samengespendetes Wunschkind zu sein als ein ungeliebter "Unfall".
Letztendlich zählt doch, in welcher Umgebung wir aufgewachsen sind und ob wir mit uns als Persönlichkeit zufrieden sind. Wenn wir das sind, ist die Art der Zeugung nebensächlich.
Bin ich ein gespendetes Kind? Ich weiß es nicht. Es würde sich für mich aber auch nichts ändern.

 

Hans Gruber (GruberJ...) - 26.02.2013 20:37 Uhr

Die Unterschätzung der Gene war pure Ideologie

Verehrte Redaktion, das wäre einen Hintergrundartikel wert: Aus welcher Ideologie stammt eigentlich der Irrglaube, die Gene seien für nicht viel mehr als für die Augenfarbe verantwortlich? Wie einige Kommentare hier zeigen, ist diese Meinung ja bis heute nicht ausgestorben. Dabei müsste es jedem Menschen, der das Glück hat, seine Eltern und weitere Blutsverwandte gründlich kennengelernt zu haben, und der leidlich selbstbeobachtungsfähig ist, doch irgendwann zwischen seinem zwanzigsten und dreißigsten Lebensjahr aufgehen, wie sehr in den feinsten Verhaltensnuancen Züge durchkommen, die sich plausibel nicht als Nachahmung, sondern nur durch Vererbung erklären lassen.

 

Franz Müller (Franzy) - 26.02.2013 21:16 Uhr

Der Vater ...

... ist halt doch der Entscheidende und der Wichtigste in einer Familie! Wenn aufgeklärte, moderne Frauen (!) zusammenbrechen und schwer erkranken, weil sie ihren wahren Vater nicht kennen, dann spricht das Bände. Gebt den Vätern wieder ihren Platz zurück, oder besser, Väter, nehmt eure Plätze wieder ein!

 

Marie Kelkmann (MKelk) - 27.02.2013 08:23 Uhr

@Herr Lehmann: Das Kompliment kann ich zurückgeben

Es ist hier leider fast selten,dass die Persönliche Einschätzung,wie man handeln würde, zum allgemeinen Dogma erhoben wird und man das dann als "Festhalten an Werten" verkauft. Da heben sich Ihre differnzierten interessierten Beiträge angenehm hervor.
Ich glaube, grade die vehementen Gegner der Reproduktionsmedin wären überrascht, wieviele Menschen sie dann vielleicht doch kennen, die nicht im Bett sondern in der Petrischale gezeugt wurden. Denn das Thema ist noch immer derart stigmatisiert, dass man davon oft nur hört, wenn man es von sich aus freundlich gesonnen anspricht.
Grade in so existentiellen Themen wie Familie, kann nicht die Mehrheit entscheiden, wie sich der einzelne zu entscheiden hat. Deshalb halte ich es für richtig,alle Wege gangbar zu halten und sorfältigere Aufklärung zu leisten - ähnlich wie bei der Schwangerschaftskonfliktberatung, statt einzelne Wege zu verbieten. Wie bei der Abtreibung gilt: Notfalls wird der illegale Weg gewählt mit allen zusätzlichen Risiken

 

Bernhard Sporkmann (bsfaz) - 27.02.2013 16:43 Uhr

Irritierend,

wie hier der Stab über die Frau gebrochen wird. Sie wurde systematisch belogen und eines Teils ihrer Identität beraubt. Warum soll sie das einfach hinnehmen? Zu sagen, die Mutter hätte schweigen sollen, ist ziemlich kurzsichtig, denn die Wahrscheinlichkeit, daß das Kind sich irgendwann einen Reim auf die ihm auffallenden Merkwürdigkeiten macht, ist groß und wird mit dem technischen Fortschritt immer größer. Das Dilemma, in dem solche Menschen stecken, kann man nicht totschweigen. Das ist der Preis für die Erfüllung des Kinderwunsches des Paares.

 

Albert Weinstein (aweinstein) - 27.02.2013 18:25 Uhr

Die Lüge mit den längsten Beinen

Ich habe inzwischen mehrere Berichte dieser Art gelesen, und ich denke, dass sie eines deutlich machen: dass unbedingt gesetzlich festgelegt werden muss, dass Kinder ein Recht darauf haben zu wissen wer sie gezeugt hat.
Das mag unbequem sein; es mag dazu führen, dass es weniger Samenspender gibt; aber das ist wohl das kleinere Übel als dasjenige, mit einer solchen Gefahr für die Psyche geboren zu werden.

Diese Eltern, und die Samenspender, die meinen, das einfach vertuschen oder ignorieren zu können, handeln unverantwortlich. Die Zeit heilt vieles: Gemeinheiten, Verletzungen, Betrug, Seitensprünge, aber nicht die Frage nach der Identität.

 

Ausgewählte Leserkommentare zu Teil 2 (Sicht des Spenders)

Renate Simon (-simon-) - 27.02.2013 15:40 Uhr

Ich finde das ein wenig menschenverachtend

Samenspende als Geschäftsmodell, womöglich noch steuerfrei, aber das nur nebenbei. Ich verstehe die Emotionslosigkeit des Beitrags, weniger verstehe ich das Vorgehen der Empfängerinnen. Da wird ein Mann per Katalog ausgesucht, der Erzeuger sein soll, von Vaterschaft kann hier wohl kaum die Rede sein. Und es sind ja wohl weniger Ehepaare, denn Lesben, die diese Dienste in Anspruch nehmen...

Und nun habe ich wieder die Schere im Kopf, denn ich meine, wenn ich mich als Frau aus Veranlagung für ein Leben mit einer Partnerin entscheide, sollte ich auch die Konsequenz daraus tragen, eben kein Kind bekommen zu können.

Aber auch bei Ehepaaren sehe ich diese Vorgehensweise ein wenig kritisch. Die Mutterschaft wird arg überhöht, warum um Himmels willen adoptieren die Leute nicht ein Kind oder mehrere?

Es mag sein, dass ich zu alt für diese schöne neue Welt bin, mir fehlt grad ein wenig Verständnis und ich frage mich, wie sollen dereinst die Kinder damit zurechtkommen?

 

 

Stefan Neudorfer (sttn) - 27.02.2013 16:48 Uhr

Man tut anderen weh wenn man meint alles erzwingen zu müssen.

Und das gerade in diesem Fall. Wie lebt es sich als Kind wenn man weiß das Papa nicht Papa ist und man dem man besteht dem biologische Papa gerade 50 oder 100 € wert war?

Und bei den lesbischen Müttern: Ein Kind braucht Mama und Papa. Und Papa muß mehr sein als nur ein Name oder ein Foto. Wenn man seinen eigenen Wunsch nach Kinder über das Wohl eine Kindes stellt, sorgt man nur dafür das dem Kind etwas wichtiges fehlt. Eben der Papa.

Ist es denn nicht möglich einen Mann zu finden der gerne Spender sein will und auch einen unerfüllten Kinderwunsch hat?

 

 

S. Schäfer (humhum) - 27.02.2013 19:40 Uhr

Suum cuique

Also ich könnte _nie_ Samen spenden, weder anonym noch sonst irgendwie. Alleine die Vorstellung, dass da draußen Kinder rumlaufen, die doch irgendwie ein Teil von mir sind, aber von wildfremden Leuten erzogen oder eventuell sogar schlecht behandelt werden, ohne dass ich das geringste dagegen tun könnte, wäre mir ein Graus.

Ich sehe schon ein, dass durch Samenspender Paare glücklich werden und bin auch nicht generell gegen diese Praxis --- aber ich persönlich könnt's nie.

 

 

Arne Hällbecker (a-haell...) - 27.02.2013 22:09 Uhr

Haarsträubende Verantwortungslosigkeit und Menschenverachtung …

… sprechen aus diesem Text.

Der Zeugungsakt, einst Allerheiligstes zwischen zwei Menschen, mit dem Kinde als fleischgewordene Liebe – nur noch lästige Pflicht, von Geschäftspartnern hastig mit Plastikbecher und Spritze abgewickelt.

Ganz im Zeichen der Zeit: Alles Menschliche, Zukunftsgerichtete – Gemeinschaft, Familie, Kinder – wird entwertet und muss stattdessen ungezügeltem Materialismus und schnellem Profit weichen.

Dass die Hobbybastelei hier noch quasi als Rechtfertigung angeführt wird, macht das Ganze nur noch erbärmlicher.

Egomane Selbstverwirklicher, die sich einfach das Recht nehmen, ein Kind vorsätzlich um das Kennenlernen des eigenen Vaters zu betrügen, sind längst in der Mitte dieser Gesellschaft angekommen.

Wieso sollte Verantwortungslosigkeit auf Kosten des kindlichen und jugendlichen Selbstfindungsprozesses und damit der seelischen Gesundheit geduldet werden?

 

 

Tina Gottwald (greenorest) - 27.02.2013 23:18 Uhr

Warum nicht?

Ich finde nichts verwerfliches daran, wenn sich Menschen (ob hetero oder lesbisch) mit Hilfe von Samenspende einen Kinderwunsch erfüllen. Es gibt übrigens keine Belege dafür, dass Kinder bei schwulen oder lesbischen Paaren schlechter aufwachsen als in der klassischen Familie. Ich selbst kenne ein schwules Paar, das ein Kind adoptiert hat. Die beiden Männer sind vorbildliche Eltern.

Auch wie die Details geregelt werden sollen, sollten die Menschen individuell entscheiden. Auf dem genannten Internetportal finden sich hier alle Varianten. Von keinem Kontakwunsch bis hin zu schwulen Männern, die sich (gelegentlichen) Kontakt zu ihrem Nachwuchs wünschen. Bei einer privaten Samenspende wird allerdings das Recht des Kindes auf Auskunft über den biologischen Vater unmöglich durchsetzbar sein. Mit dieser Verantwortung müssen die Beteiligten eben leben.

 

 

Bernhard Sporkmann (bsfaz) - 28.02.2013 11:12 Uhr

Samenverkäufer

"Samenspender" ist ein Euphemismus, den interessierte Parteien in die Welt gesetzt haben. Dieser Mensch reduziert sich zu einem bloßen Instrument für die Interessen anderer, auf Kosten der daraus entstehenden Kinder.

 

 

 

 

 

 

 

01.03.2013 | 1536 Aufrufe

Kommentare