Vater gesucht: Die Samenspende aus dem Internet

Symbolbild / Bild: (c) Fabry 

Lesbische Paare und Singlefrauen dürfen hierzulande keine Samenspende in Anspruch nehmen, um ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Manche suchen deshalb Samenspender im Internet oder Bekanntenkreis.

14.12.2013 | 18:13 |   (Die Presse)

Als der Mann, der sich Billi nennt, an diesem Tag im Sommer 2013 in sein Auto steigt, hat er eine wichtige Lieferung bei sich. Er fährt damit zu einem Paar, das er zuvor noch nie gesehen und mit dem er nur ein paar Mails in einem Internetportal ausgetauscht hat. Billi betritt wenig später deren Wohnzimmer und spricht 20 Minuten mit den fremden Leuten. Der Mann und die Frau erzählen von ihren Schwierigkeiten, ein Kind zu bekommen, da der Mann zeugungsunfähig ist. Billi, ein 33-jähriger Steirer, der in Niederösterreich wohnt, will helfen.

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Und so hinterlässt er einen Becher, darin sein Sperma, kassiert 70 Euro und verlässt das Paar. Bald darauf wird er erfahren, dass die Frau schwanger geworden ist. Durch seine Spende, erzählt er.

Billi, der Mann, der von dieser Episode berichtet – und seinen wahren Namen nicht preisgeben will –, ist einer von zahlreichen Menschen, die sich auf Internetportalen treffen, um Samenflüssigkeit anzubieten oder zu erwerben. Klickt man auf Billis Eintrag auf einem dieser Portale, lächelt einem ein sportlicher Mann mit dunkler Sonnenbrille entgegen. Es sind Seiten wie spermaspender-samenspender4you.com, spendesperma.com oder private-samenspender.de, die wie Kontaktbörsen funktionieren. Die Menschen stellen sich vor, tauschen sich aus und treffen sich bei Interesse persönlich. Das Sperma wird den Frauen entweder in einem Becher übergeben, um sich die Flüssigkeit per Spritze in die Scheide zu injizieren (Bechermethode), oder aber der Spender und die Frau greifen auf die natürliche Variante zurück.

Abseits offizieller Samenbanken, die reproduktionsmedizinische Kliniken bedienen, ist also ein privater Markt entstanden. Einerseits, weil bestimmte Gruppen wie lesbische und alleinstehende Frauen in Österreich keinen und in Deutschland einen erschwerten Zugang zu diesen Kliniken haben. Andererseits, weil das Internet die Suche unter eigenen Bedingungen erleichtert. So wurde dieser private Markt auch für heterosexuelle Paare interessant, für die Kinderwunschpraxen sehr wohl offenstehen.

Mehr Singlefrauen

Wie viele Menschen auf eigene Faust einen Samenspender suchen, lässt sich allerdings nicht so leicht sagen. Die österreichische Plattform spermaspender-samenspender4you.com sei seit ihrer Gründung 2007 von ungefähr 7000 Menschen genützt worden, gibt der Betreiber an – auch er will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. Und, verrät er, die Tendenz sei steigend. Hätten zunächst vor allem lesbische Paare das Angebot genützt, seien es nun immer mehr Singlefrauen. Außer zur Statistik wollte er aber keine weiteren Angaben machen.

Zu heikel ist der dort gehandelte Stoff. Denn laut österreichischem Fortpflanzungsmedizingesetz ist eine Samenspende „zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung“ nur unter bestimmten Vorgaben und in dafür zugelassenen Krankenanstalten erlaubt. Wer außerhalb dieser Vorgaben spendet, begeht eine Verwaltungsübertretung. Das gilt aber nur für die „Bechermethode“, erklärt Michael Mayrhofer, Experte für Medizinrecht an der Johannes-Kepler-Universität Linz. Ebenso verboten ist die Vermittlung von Samen. Ob ein Internetportal bereits als Vermittlung gelte, könne nur im Einzelfall geprüft werden, so Mayrhofer. Strafen in diesem Bereich sind Rechtsexperten allerdings nicht bekannt.

Das Verbot hat seine Gründe: Denn eine Samenspende in einer Krankenanstalt garantiert, dass der Spender gesund ist und kein Geschäft mit männlichen Keimzellen gemacht wird, zudem darf sein Sperma nur für maximal drei Paare verwendet werden. Außerdem sind alle Beteiligten rechtlich abgesichert, sagt Jurist Mayrhofer: Das Kind hat frühestens mit 14 Jahren das Recht, Informationen über den Spender zu erfahren (im Notfall auch früher), ein allfälliger Partner der mit dem Samen befruchteten Frau wird per Notariatsakt zum Vater – und der Spender ist von allen finanziellen Ansprüchen des Kindes befreit.

All diese Absicherungen fallen auf dem privaten Markt weg: Dem Spender könnten Unterhaltsansprüche drohen, die Empfängerin könnte auf einen Spender treffen, der unerwünschte Vatergefühle entwickelt, Gesundheitsatteste der Beteiligten könnten gefälscht sein, für die ersehnte „Ware“ könnte einiges an Geld verlangt werden. Doch die größte Sorge von Experten ist eine andere: Wie geht es derart gezeugten Kindern? Jenen, die nichts über ihre Entstehungsgeschichte wissen, und anderen, die darüber aufgeklärt werden?

Kein anonymer Spender

Karin V. macht sich darüber keine Sorgen. „Wir sind eine moderne Familie, und alle vier sehr glücklich damit“, erzählt die frischgebackene Mutter eines Sohnes. Die 36-jährige Physiotherapeutin aus Wien hat mit ihrer Lebensgefährtin eine „Regenbogenfamilie“ gegründet. Das lesbische Paar wollte keinen anonymen Spender von einer ausländischen Samenbank oder aus dem Internet, sie wollten einen Spender, der eine Vaterrolle übernimmt. KarinV. ist überzeugt, dass es wichtig für das Kind sei, von Anfang an zu wissen, wer sein Vater ist. Also suchten die Frauen im Bekanntenkreis und wurden fündig. Ein Freund des Paares, ein homosexueller Mann, war dazu bereit, seinen Samen per Becher bereitzustellen. Die zweite Frau wird nun das Kind ihrer Partnerin adoptieren, die sogenannte Stiefkindadoption, seit Kurzem in Kraft, ermöglicht das. Dann hätten die Frauen die Elternrolle. Der Vater wäre auf die Freundschaft mit den Frauen angewiesen, will er seinen Sohn sehen. „Diese Konstellation braucht sehr viel Vertrauen aller Beteiligter“, räumt Karin V. ein.

Auch Eva L., sucht einen Spender, der eine „gewisse Vaterrolle“ übernimmt. Die Pädagogin aus Nordrhein-Westfalen ist eine heterosexuelle Singlefrau und wünscht sich ein Kind. Einen Partner zu suchen, der dann vielleicht ein Kind mit ihr will – dafür sei keine Zeit mehr, sagt die 44-Jährige. Da sie mit Partnerbörsen Erfahrung hat, war es für sie nur ein kleiner Schritt, das Internet auch für die Suche nach einem Samenspender zu nützen. Die Suche gestaltet sich dennoch eher schwierig.

Denn auf diesen Websites treiben sich auch einige unseriöse Männer herum, wie Eva L. erzählt: Da gibt es jene, die es nur auf Sex abgesehen haben, andere wiederum wollen vor allem Geld damit verdienen, eine dritte Gruppe umfasse den „skurrilen Massenspender, der sein Heil darin sieht, möglichst viele Frauen zu schwängern“. Schließlich aber findet man dort auch solche Männer, die vor allem helfen wollen, und zuletzt jene, die es sich auch vorstellen können, mit der Mutter und dem Kind in Kontakt zu bleiben.

Den Spender, der sich Lucas nennt, könne man als „Massenspender“ deklarieren, sagt dieser. Der 53-jährige Deutsche, der in der Gegend zwischen Bonn und Koblenz wohnt, hat nach eigenen Angaben bereits 19 „Spendenkinder“, drei weitere Frauen sind derzeit von ihm schwanger. Doch er wolle sich von den „unseriösen Spendern“ abgrenzen, behauptet Lucas, der Pferdezüchter mit veterinärmedizinischer Ausbildung ist. Er wolle helfen, zudem beruhige es ihn, dass „möglichst viel von mir übrig bleibt“. Er bevorzuge die natürliche Methode zur Befruchtung – aber nur, weil sie effizienter sei: „Das ist zielorientierter Sex ohne Liebesspiel.“ Seine Frau sei damit einverstanden, meint der verheiratete Mann, der vier Töchter hat. Und er ist sicher, sich mit Vertragsklauseln von möglichen Unterhalts- und Erbansprüchen der „fremden“ Kinder absichern zu können – was Experten bezweifeln. Lucas betont aber, er würde jedem seiner „Spendenkinder“ helfen, das in finanzielle Not gerate. Und er will jedes dieser Kinder zumindest ein Mal sehen, er empfinde für sie, als wären sie Nachbarkinder.

Möglichst wenig preisgeben

Billi hingegen will keinen Kontakt zu möglichen Kindern aus seinen Spenden. Im Gegenteil, er versucht, möglichst wenig von sich preiszugeben, um eine Kontaktaufnahme zu verhindern. Doch wie bei Lucas klingt auch bei ihm Stolz mit, wenn er von seinen „erfolgreichen“ Spenden berichtet. Es gehe ihm aber vor allem darum, den Frauen zu helfen, sagt der alleinstehende Mann, der in der Immobilienbranche arbeitet. Er sei jung und gesund, warum sollte er dieses Potenzial nicht nützen? Darum sei ihm auch das gesetzliche Verbot egal. Eine eigene Familie wolle er vielleicht später einmal gründen.

Dass die Frau, der er im Sommer zum ersten Mal seinen Samen gespendet hat, nun ein Kind bekommt, sei schon „ein bisschen komisch“, meint er. „Der Vater ist trotzdem der andere, was soll's.“ Später, wenn das Kind erwachsen ist, will er es aber vielleicht trotzdem einmal sehen.

Quelle: http://diepresse.com/home/leben/mode/1504490/Vater-gesucht_Die-Samenspende-aus-dem-Internet

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2013)

14.12.2013 | 1832 Aufrufe

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